Uff.

Seit 2017 bin ich Mitglied im Science City Jena e. V. Ich halte so eine Mitgliedschaft als Fan eines Vereins für selbstverständlich, denn nur so kann die langfristige, gute, breitensportliche Arbeit gewährleistet und unterstützt werden; nur mit hohen Mitgliedszahlen kann der Verein Sponsoren und weitere Unterstützer gewinnen. Ich bin Mitglied geworden, kurz nachdem ich überhaupt angefangen habe, zu Jenaspielen zu gehen. Direkt in meiner ersten Saison. Weil ich begeistert war.

Stand jetzt weiß ich nicht, ob ich Ende 2023 noch Mitglied sein werde.

Für mich ist die Bindung an einen Verein1Ich nutze hier den Begriff „Verein“ sehr lose und meine damit sowohl die Baskets Jena GmbH und den Science City Jena e. V. mehr als nur das Sportliche. Im Idealfall übersteht die Vereinsliebe Abstiege, Aufstiege; Trainerentlassungen, Spielersperren. Es übersteht die Zeit. Das geht aber nur, wenn man ein gemeinsames Wertekonzept vertritt. Die vorraussichtliche Verpflichtung von Joshiko Saibou lässt mich daran zweifeln, dass wir ein gemeinsames Wertekonzept haben.

Was war nochmal mit Saibou?

Leider lässt sich nicht mehr alles perfekt rekonstruieren, da Saibou mittlerweile einige Videos aus seinem Instagram-Profil gelöscht hat und viel über Storys lief, die ohnehin nur kurze Zeit sichtbar sind. Aber ganz kurz:

  1. Er hat zu Beginn der Corona-Pandemie ein Video gepostet, in dem er die Schutzmaßnahmen damals aufs Schärfste verurteilt hat. Sie bemängeln einen Freiheitsentzug und ein eingeschränktes Recht auf Meinungsfreiheit. Das Video wurde in Mexiko aufgenommen. (Kurzzusammenfassung beim Bonner General-Anzeiger, Video hier).
  2. Saibou hat eine Anti-Corona-Demo besucht. Nachdem er dafür von seinem Verein (arbeitsrechwidrig) gefeuert wurde, besuchte er später erneut eine Demo. Dabei war er nicht nur passiver Besucher, sondern ist auch als Sprecher auf einer Bühne aktiv gewesen. Das Video dazu ist nicht mehr online, aber auch hier berichtete der Bonner General-Anzeiger.
  3. Insbesondere seine damalige Freundin Alex Wester verbreitete Verschwörungserzählungen zu Pizzagate und Adrenochrom. Diese Erzählungen sind meist in ein Weltbild eingebettet, dem eine antisemitische Grundeinstellung zu Grunde liegt (da diese Sachen von jüdischen Milliardären wie George Soros finanziert und orchestriert seien). Saibou distanzierte sich nie von den Erzählungen seiner Freundin und rezipierte einige davon selber auf seinem Profil in Storys.

Saibou wurde in Bonn entlassen (der Grund hierfür war der erste Besuch einer Corona-Demo), was später vor einem Arbeitsgericht mit einem Vergleich endete. Er wurde 2021 für Olympia nominiert., es erfolgte eine teaminterne Aussprache, da u. a. der ehemalige Jenaer Joe Voigtmann nicht überzeugt war. Es folgte außerdem ein „Entschuldigungsvideo“ (link) – ohne jedoch Worte der Entschuldigung. Kein „Es tut mir leid, dass …“ oder „Ich entschuldige mich für …“, lediglich eine sogenannte „Nopology“, dass er sich dafür entschuldige, dass es nicht seine Intention war, dass sich Leute von seinen Aussagen verletzt gefühlt haben. Kurzum: es tut ihm leid, wenn Leute sich angestellt haben.2Falls jemand fragt, eine richtige Entschuldigung würde lauten: „Es tut mir leid, dass ich Leute mit meinen Aussagen verletzt habe.“ Es wird komplett unklar, wofür er sich eigentlich „entschuldigen“ wolle. Man bedauert, dass die Anti-Corona-Demos von Rechtsextremen begleitet wurden, wobei dies zu dem Zeitpunkt schon klar und öffentlich bekannt war, aber sonst?

Es folgte noch ein unsägliches Interview in der BIG, auf das ich gar nicht groß eingehen kann und will, im Großen und Ganzen aber dazu diente, Saibou reinzuwaschen. Eine Entschuldigung oder Distanzierung erfolgte auch hier nicht.

„Nu is‘ doch mal gut!“

Nun könnte man meinen, dass doch jetzt alles gut sei. Saibou spielte danach in Frankreich, war aber lange verletzt. Verjährt so etwas nicht?

Und da ist meine klare Meinung: nein.

Saibou hatte jetzt 3 Jahre Zeit, in sich zu gehen und sich selbst und seine Aktionen zu reflektieren. Viele sagen jetzt, Saibou sei von seiner damaligen Freundin Alex Wester beeinflusst gewesen, und das glaube ich auch. Trotzdem ist er ein eigenverantwortlicher Mensch, der auch für seine Fehler gerade stehen soll und muss. Ohne ernstgemeinte Worte der Reue kann ich leider nur sagen: ich sehe nicht, dass sich sein Weltbild verändert hat.

Wieso ist das jetzt so wichtig für mich? Mit der Verpflichtung zeigt Medipolis SC Jena, dass ihnen diese Werte egal sind. In der vereinseigenen Pressemitteilung wird der Skandal rund um Saibou gar nicht erwähnt. Man betont den Aspekt, dass es ja toll sei, einen ehemaligen Nationalspieler zu verpflichten.

Vor einigen Monaten schrieb ich in meiner Saisonanalyse, dass es eine klare Idee brauche, wofür Jena stehe. Einen Wertekompass, an dem man seine Entscheidungen ableiten kann. Einen klaren Kurs, den man fährt. Anscheinend ist der aktuelle Wertekompass: „Sportlicher Erfolg ohne Wenn und Aber.“ Es ist egal, was für Typen die Spieler sind, solange sie funktionieren.

Natürlich ist es auch unfair, Saibou jetzt so scharf zu kritisieren. Woher soll ich wissen, wie Robin Lodders über die Klimakrise denkt oder Alex Herreras Meinung zum Thema Flüchtlingspolitik? Ich will auch, dass diese Spieler ihre Meinungen vertreten. Bei Saibou ist für mich jedoch klar, wofür er steht, und bisher sehe ich keine Änderung.

Damit muss ich überdenken, ob ich zum Verein passe. Für mich fühlt es sich an wie das Ende eines langsamen Entfremdungsprozesses. In den letzten Monaten habe ich aber auch gespürt, dass viel positive Kreativarbeit in der Organisation geleistet wird. Der e. V. hatte erst kürzlich eine Umfrage an die Mitglieder geschickt, wie man den Verein ausrichten könne. Erik Thierolf, zuständig für die Kommunikation der GmbH, habe ich als extrem offenen, engagierten Mitarbeiter kennengelernt, der viel anstoßen will. Vielleicht ist es unfair von mir, diesen Bemühungen eine Absage zu erteilen. Aber gleichzeitig sehe ich nicht ein, wieso mein Geld und meine Unterstützung in etwas fließen soll, was meinem Weltbild widerspricht.

Ich bin darüber sehr traurig.

2 thoughts on “Uff.

  1. Meine Basketball-Leidenschaft ist bereits in den 90ern erloschen und so verfolge ich den Sport nur sehr am Rande. Vielen Dank für Deine Einschätzung der Situation und generell für das Aufmerksammachen.

    1. Leider hat es der deutsche Basketball (im Gegensatz zum Fußball vor der Ultrakommerzialisierung) verpasst, eine eigene Identität und Kultur aufzubauen. Das macht Fansein sehr schwer teilweise.

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